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Im Folgenden Artikel stellen wir euch 10 Anwendungsfelder von medizinischem Cannabis vor und erklären Euch, was sich seit dem Gesetz 2017 so alles getan hat.
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Grundsätzliches vorweg: Cannabis, zu Deutsch: Hanf, ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Seit der Antike ist auch ihre somatische und psychoaktive Wirkung bekannt. Cannabis Präparate kamen bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts u.a. bei Schmerzen, Schlafstörungen, Migräne oder Epilepsie zum Einsatz.
Um im Fall dieser Erkrankungen sowohl die Versorgung mit qualitativ hochwertigem Cannabis sicherzustellen sowie Rechtssicherheit für die verschreibenden Ärzte zu schaffen, hat der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ (BtMRÄndG) vom 06.03.2017 einen neuen rechtlichen Rahmen geschaffen. So wurde in den §31, Absatz 6 folgender Gesetzestext eingefügt:
„Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, [und] 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.“
„Cannabis nutzt das körpereigene Cannabinoid System, das eine wichtige Rolle spielt und das ist auch der Grund, warum Hanf so breitbandig eingesetzt werden kann.“ - so Georg Wurth im Podcast Interview mit dem Deutschen Hanfverband.
Georg Wurth ist Inhaber und Geschäftsführer des DHV und Experte rund um das Thema Cannabis. Seit 1996 beschäftigt er sich intensiv mit der Drogenpolitik und verfolgt mit dem DHV das Ziel, die Cannabispolitik zu verbessern. Eine Frage aus dem Interview wollen wir herausnehmen und näher betrachten:
Cannabis nutzt das körpereigene Cannabinoid System, welches eine wichtige Rolle spielt und auch der Grund ist, weshalb Hanf so breitbandig medizinisch eingesetzt werden kann. Der Nutzen für viele Parteien ist, dass sie von Cannabis schnell eine Verbesserung bzw. einen Nutzen verspüren. So Beispielsweise in der Schmerztherapie, aber so gut wie keine Nebenwirkungen und deshalb den üblichen Medikamenten auf dem Markt vorziehen. - erklärt der Hanf Experte im Gespräch.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten, die oft nicht die gewünschte Wirkung erzielen hilft Cannabis, Menschen mit chronischen Schmerzen wieder ein besseres und schmerzfreies Leben zu führen. Ein weiteres Argument, welches von Patienten öfter genannt wird, ist das der Konsum von Cannabis viel weniger und leichtere Nebenwirkungen zeigt als Opiate aus der Allgemeinmedizin. So kann mit Cannabis wieder ein annähernd normales und soziales Leben geführt werden.
Im moment wird medizinisches Cannabis am häufigsten in der Schmerztherapie eingesetzt. Cannabinoide, zu denen unter anderem auch Tetrahydrocannabinol (THC) eine Reihe weiterer natürlicher und chemisch synthetisierter Substanzen gehört, erreichen nach der oralen oder inhalativen Aufnahme über den Blutkreislauf das Zentralnervensystems. Dort binden sie an Cannabinoid-Rezeptoren und können ihre gewünschte Wirkung entfalten. Zu diesem „guten Gefühl“ gehört auch, dass die Patienten Schmerzen nicht mehr als störend empfinden. Schmerzfrei wird der Mensch jedoch nicht, wenn er Cannabis konsumiert hat.
Die medizinischen Effekte des Hanfs entstehen durch die enthaltenen Stoffe Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC löst ein Rauschgefühl aus und wirkt muskelentspannend, hilft jedoch auch gegen Übelkeit und Brechreiz. Cannabis kann so die Auftretenden Nebenwirkungen der Chemotherapie etwas lindern. Die medizinische Anwendung der Hanfpflanze kommt vor allem bei Übelkeit und Erbrechen in der Krebs-Chemotherapie, Appetitlosigkeit und Abmagerung bei HIV/Aids, sowie bei chronischen Schmerzen, Spastik und Querschnitts Erkrankungen zum Einsatz.
Die Beschwerden eines Reizdarmsyndroms können die Lebensqualität stark einschränken. Zu den klassischen Symptomen gehören Übelkeit, Bauchschmerzen, Völlegefühl und Blähungen. Obwohl die Hanfpflanze zu medizinischen Zwecken keine neue Entdeckung ist, wenden sich nun auch zunehmend Wissenschaftler der vielversprechenden Wirkstoffkombination in dem Gewächs zu. Kein Wunder, denn die Hanfpflanze besitzt einen wertvollen Mix an Nährstoffen. Ballaststoffe, Fettsäuren, Mineralstoffe und Vitamine sind darin ebenso enthalten wie sekundäre Pflanzenstoffe.
Schlafstörungen, Schwierigkeiten beim Einschlafen oder nicht richtig durchschlafen - Ein gesellschaftliches Phänomen, dass bei vielen Menschen auftaucht. Stress im Beruf oder im Alltag wirkt sich hierbei besonders auf den Schlaf aus. Cannabiskonsum kann hier zur Entspannung und Erleichterung führen. Besonders jene Personen, die ohnehin unter psychischen Problemen leiden wie posttraumatischen Belastungsstörungen oder Ängsten würden die beruhigende Wirkung von THC nutzen, um besser ein- und durchschlafen zu können.
Bei MS – Multiple Sklerose – handelt es sich um die häufigste Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft. Symptome wie Lähmungserscheinungen, Koordinationsprobleme und eine Beeinträchtigung der Sinnessignale können die Folge sein. Da Multiple Sklerose nicht heilbar ist, sind Patienten häufig Jahrzehnte lang gezwungen, Medikamente einzunehmen, um unter anderem ihre Schmerzen zu bekämpfen. In den letzten Jahren hat Hanf deren Schmerzlindernde Wirkung wieder das Interesse in Fachkreisen und von Betroffenen geweckt, da dem Extrakt aus der Hanfpflanze schmerzlindernde, entzündungshemmende und krampflösende Eigenschaften nachgesagt werden. Daten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Verordnung von Cannabis als Medizin, zeigten als Indikation vor allem bei Schmerz - inkl. Spastik bei Multipler Sklerose - zu 70% eine positive Wirkung an.
Die Zwangsstörung (obsessive-compulsive disorder – OCD) ist eine psychische Störung, bei der Patienten unter Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen leiden. Das menschliche Endocannabinoidsystem ist an der Zwangsstörung beteiligt, das ergaben unter anderem einige Studien. So veröffentlichten die Forscher der Columbia University im Jahr 2019 eine Übersichtsarbeit zu dem Thema, ob das Endocannabinoidsystem ein neues Behandlungsziel für Zwangsstörungen sein könnte. Neben einer umfassenden Übersicht über Endocannabinoide und Phytocannabinoide führen die Forscher auch Daten aus verschiedenen Studien aus. Im Ergebnisteil der Studie heißt es, dass die Behandlung mit Dronabinol (aus der Hanfblüte gewonnenes THC) bei zwei Patienten mit therapierefraktärer Zwangsstörung positive Ergebnisse zeigte. Auch die Daten aus einer kleinen offenen, unkontrollierten Studie zeigten, dass die Kombination aus Nabilon (ein Wirkstoff aus der Gruppe der synthetischen Cannabinoide) und Psychotherapie wirksamer war als jede Behandlung allein.
Verantwortlich dafür ist eine spezielle Gruppe von Nervenzellen im Zwischenhirn. Denn die Cannabinoide docken direkt an den Hunger-Rezeptor im Körper an, stimulieren den Geruchssinn, sodass man die Aromen von Speisen und Getränken intensiver wahrnimmt. Das kurbelt den Appetit zusätzlich an und kann den Heißhunger nach dem Kiffen verstärken. Die Nervenzellen im Zwischenhirn halten Körpertemperatur und Blutdruck im Lot, regeln den Schlaf-Wach-Rhythmus und geben Impulse für Hunger- und Durstgefühle bzw. deren Befriedigung. Geraten diese Nervenzellen unter Cannabiseinfluss, senden sie plötzlich Signale und regen den Appetit an statt. Dieser Effekt, wird auch oft in der medizinischen Behandlung ausgenutzt, wenn Patienten unter Appetitlosigkeit aufgrund schwerer Erkrankungen leiden.
Die meisten Menschen kennen die Behandlungsmöglichkeit von ADHS - einer Aufmerksamkeits defizit Störung - mit Ritalin. Menschen mit hyperaktivem Verhalten führen dann zu einer Ansammlung von Niederlagen, Frustration und Ablehnung, die Betroffene verkraften müssen. Wenige jedoch Wissen, dass der Konsum Cannabis genauso gut, wenn nicht sogar besser gegen die Störung helfen kann. Ganz abgesehen davon, dass Cannabis ein Naturprodukt ist, welches ohne jegliche Zusatzstoffe auskommt. Nicht zuletzt seit der Gesetzesänderung treffen bei ADHS Deutschland e. V. zunehmend mehr Anfragen ein, wie der Einsatz von Cannabis zur Behandlung der ADHS zu bewerten ist. So gilt von gesetzlicher Seite, bei schwerwiegenden Leiden und Therapieversagen nach mehreren etablierten Therapien, cannabishaltige Arzneimittel verordnet werden können.
Menschen die am Tourette-Syndrom leiden haben nach dem Konsum von medizinischem Cannabis eine Linderung von Symptomen und Nebenwirkungen festgestellt. Ein spannender Effekt der gleichzeitig mit der Linderung des Syndroms einhergeht ist auch die oftmals verbesserte Lebensqualität. Das heißt, dass neben der Reduktion der Beschwerden auch sekundäre Wirkungen zu beobachten sind: ein verbesserter Schlaf, mehr Appetit sowie eine verbesserte Bewältigung der Erkrankung – bei Fachleuten bekannt unter Coping. Nach der Einnahme verschiedener cannabis basierter Arzneimittel berichteten die Patienten über eine Verbesserung der Tics, sowie Angehörige, dass die Betroffenen gelassener sind und sich nicht mehr alles nur um die Krankheit dreht. Die Beziehungen innerhalb des Familien- und Freundeskreises werden entspannter.
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