Bundestagswahl 2021: Wie stehen die Parteien zur Cannabis-Legalisierung?

Wahlkampfthema Cannabis-Legalisierung: Welche Parteien sind für freies Kiffen - und aus welchen Gründen?

Cannabis liegt beim Konsumvolumen illegaler Drogen ganz vorn: Nach Schätzungen des Instituts für Therapieforschung konsumieren mehr als vier Millionen Deutsche regelmäßig Cannabis - quer durch alle Altersgruppen, Tendenz steigend. Jetzt ist die Legalisierung der Droge zum parteiübergreifenden Thema der Bundestagswahl avanciert. Doch wie steht welche Partei zur Cannabis-Legalisierung - und wie lauten die Argumente?

von Laura Neuhofer  ∙ 01.10.2021

Nur noch CDU und AfD gegen Cannabis-Legalisierung

Während Kiffen in immer mehr Ländern weltweit legal ist, stehen in Deutschland weiter empfindliche Strafen auf den Besitz von Cannabis. Doch seit der Freigabe von medizinischem Cannabis 2017 wächst auch bei uns das Bewusstsein für die gesundheitsfördernden Eigenschaften der einstigen Freizeitdroge. Neben SPD, Grünen und Linkspartei spricht sich auch die FDP für deren Legalisierung aus. In Leipzig beantragten Grüne, Piratenpartei und Die Partei jetzt sogar, Leipzig zum "Modellprojekt zur legalen Abgabe von Cannabis" zu machen. CDU und AfD dagegen möchten, dass es nach der Bundestagswahl beim Cannabisverbot bleibt.

 

FDP: Cannabis kontrolliert verkaufen und besteuern

Für die Freien Liberalen ist Cannabis ein Genussmittel, abzugeben an Erwachsene in lizenzierten Geschäften und Apotheken in kontrollierter Qualität. Geht es nach der FDP, soll jeder bis zu 15 Gramm legal für den Eigenbedarf besitzen dürfen. Auch will die FDP Cannabis mit zehn Euro pro 100 mg THC versteuern - für Steuermehreinnahmen von jährlich einer Milliarde Euro. Geld, das in Maßnahmen zur Drogenprävention fließen soll. Der Deutsche Hanfverband kritisiert dieses Steuermodell: Cannabissorten mit hohem THC-Anteil würden so im legalen Verkauf auf über 20 Euro pro Gramm verteuert - wirksame Schwarzmarktbekämpfung sähe anders aus. Stattdessen schlägt der Verband eine vom THC-Gehalt entkoppelte Besteuerung von 2,60 Euro pro Gramm vor.

 

Die Grünen: Verbote sind keine Lösung, sondern nur Ursache für Probleme

Die Grünen thematisieren das Thema Kiffen im Gesundheitskapitel ihres Wahlprogramms. Wandel in der Drogenpolitik heißt für die Grünen, Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften zu verkaufen, Jugend- und Verbraucherschutz vorausgesetzt. Ein neues Cannabiskontrollgesetz soll dem Schwarzmarkt den Boden entziehen, die Versorgung mit medizinischem Cannabis gefördert werden. Darüber hinaus will die Partei Modellprojekte unterstützen, die das Testen von illegal gekauftem Cannabis vor dem Kiffen ermöglchen - auf Inhalts- und Gefahrenstoffe (Drug-Checking). Für eine kontrollierte Freigabe spricht nach Meinung der Grünen auch die Überlastung der Justiz durch zahlreiche Cannabis-Verfahren. Dort würden u. a. Polizeiressourcen gebunden, die bei der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben fehlten.

 

SPD: Cannabis entkriminalisieren

Das SPD-Programm für die Bundestagswahl sieht Kiffen als gesellschaftliche Realität, vergleichbar mit Alkohol - und betont das Recht auf Selbstschädigung und Konsum. Auch gelte es, den Cannabis-Milliardenmarkt zu erschließen: Der Staat ließe geschätzte acht Milliarden Euro Umsatz jährlich unberücksichtigt - schwarz erwirtschaftet, an der Steuer vorbei. Wie die Grünen kritisieren auch die Sozialdemokraten, dass die polizeiliche Verfolgung enorme Kräfte bindet. Statt den Besitz kleinerer Mengen bundesweit strafrechtlich zu verfolgen, spricht sich die SPD für eine kontrollierte Abgabe ab 18 aus. Ein Ansatz, den die SPD jedoch zunächst in Modellprojekten - wie etwa in Leipzig - erproben will. Zusätzlich will die Partei Prävention, Beratung und Therapie für Jugendliche stärken.

 

Linke: Cannabis-Eigenanbau erlauben

Die Linke geht am weitesten. Ihr Programm zur Bundestagswahl fordert nicht nur einen Paradigmenwechsel von der Strafverfolgung zu Prävention, Beratung und Hilfe: Die Linke möchte für den straffreien Drogenbesitz auch eine bundeseinheitliche Menge festsetzen. Als einzige Partei will die Linke zudem den Eigenanbau von Cannabis erlauben. Was, wenn du mit Cannabis erwischt wirst? Geht es nach dieser Partei, wird man dich nicht bestrafen, sondern dir ein Beratungs- und Hilfsangebot machen. Die Linke betrachtet den "Wunsch nach dem Rausch" als Bestandteil der Kultur - Gesundheitsschäden und Risiken zum Trotz. Ob eine Droge wie z. B. Alkohol legal oder wie Cannabis illegal sei, spiele für deren Gefährlichkeit nämlich keine Rolle.

 

CDU/CSU: Nach der Bundestagswahl keine Cannabis-Legalisierung

Im Wahlprogramm findet sich das Thema unter Sicherheit; das Wort Cannabis wird kein einziges Mal genannt. Christdemokraten und Christsoziale verweisen auf Gesundheitsrisiken und Langzeitfolgen für Jugendliche, deren Familien und die Gesellschaft als Ganzes. CDU/CSU setzen auf zügige Sanktionen für Konsumenten illegaler Drogen sowie ein verbessertes Beratungs- und Therapieangebot. Beim Besitz kleiner Mengen denkt die CSU etwas liberaler als ihre Schwesterpartei - und fordert eine bundeseinheitliche Obergrenze von sechs Gramm. Der Besitz von Kleinstmengen solle nicht länger als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Ertappte sollen künftig auch wählen können: Zahle ich das Bußgeld oder unterziehe ich mich lieber einer Suchtberatung? Dies entlaste Polizei und Justiz.

 

AfD: Cannabis schadet der Hirnentwicklung

Die Alternative für Deutschland (AfD) will Cannabiskonsum weiter auf den medizinischen Bereich beschränken. Bereits 2020 reagierte die AfD auf einen Gesetzentwurf der Grünen zum Cannabiskontrollgesetz mit einem Antrag, der "Medizinalcannabis auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen" sollte, um es via Prüfverfahren des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) zu bewerten. Auch verweist die Partei auf tiefgreifende Auswirkungen von Cannabis auf die Hirnentwicklung junger Menschen - wie verminderte kognitive Leistungsfähigkeit oder Nachlassen von Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Eine Legalisierung würde hier nicht verhindern, dass Jugendliche sich Cannabis günstiger auf dem Schwarzmarkt besorgten - und es Eltern schwerer machen, ihren Kindern die Droge zu verbieten.

Warum THC/Cannabis legalisieren? Das sagen deutsche Politiker dazu

FDP

"Die Repressionspolitik der großen Koalition ist gescheitert", heißt es im Antrag der Freien Liberalen zur Cannabis-Legalisierung. "Steuermehreinnahmen von einer Milliarde Euro pro Jahr sollen in Maßnahmen zur Drogenprävention fließen." (Wieland Schinnenburg, FDP-Sprecher Drogen- und Suchtpolitik)

Die Grünen

"Das derzeitige Verbot von Cannabis verursacht mehr Probleme, als es löst", ist im Programm der Grünen zur Bundestagswahl zu lesen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock fordert eine kontrollierte Cannabis-Freigabe "so wie man das beim Alkohol auch tut". Verfahren in diesem Kontext seien "massive Zeitverschwendung".

SPD

Die Sozialdemokraten bezeichnen Cannabis in ihrem Wahlprogramm als "gesellschaftliche Realität" wie Alkohol. Die Vorkämpfer Burkhard Bienert und Dirk Heidenblut sehen dessen Konsum als etabliert: "Dem muss man sich als Gesellschaft stellen", so Bienert.

CDU/CSU

Kanzlerkandidat Armin Laschet erklärte in der ARD-Wahlarena, er habe "Cannabis übrigens noch nie konsumiert". Auch die Drogenbeauftragte der CSU Daniela Ludwig positionierte sich unmissverständlich: "Cannabis ist kein Brokkoli."

AfD

Die AfD befürwortet einen "Ausbau der suchtpsychiatrischen Versorgung für eine dauerhafte Abstinenz von Drogen." "Cannabis können wir allenfalls zur kontrollierten medizinischen Anwendung vertreten", so Detlev Spangenberg, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.

 

Wie bewerten aktuelle Umfragen zum Thema Cannabis Legalisierung?

Eine Umfrage durch aposcope vom Juli 2021 ergab, dass 51,2 Prozent der befragten Apotheker*innen eine eingeschränkte Legalisierung von Cannabis befürworten. Ansonsten scheinen die Deutschen geteilter Meinung; eine Mehrheit für die Legalisierung gibt es nicht. Wie in den Jahren zuvor ergab auch die diesjährige repräsentative Umfrage des Deutschen Hanf Verbands durch Infratest Dimap Zustimmungswerte von um 45 Prozent. Mit 71 Prozent ist der Zuspruch bei den Anhängern der Linken sowie 67 Prozent bei Anhängern der Grünen am größten, während CDU/CSU-Wählen sich zu über zwei Dritteln dagegen aussprechen.

 

Was sagen Studien zur Legalisierung von Cannabis?

Kiffen schadet dem Gehirn junger Menschen, so eine neue, fünfjährige Langzeitstudie in JAMA Psychiatry, an der über 800 Proband*innen teilnahmen. Demnach kann Cannabiskonsum Hirnstruktur und Verhalten verändern. MRT-Hirnscans zeigen Langzeitfolgen als dünnere Hirnrinde im Bereich des präfrontalen Kortex, Sitz von Impulskontrolle und planvollem Handeln. Genau hier docke Cannabis an. Die betreffenden Jugendlichen reagierten impulsiver und litten an Konzentrationsproblemen. Und je jünger die Probanden und je höher die konsumierte Menge, desto ausgeprägter der Effekt auf das Gehirn. Aber führt eine Legalisierung auch zu mehr Konsum? Nein, so ein Artikel in der US-Fachzeitschrift Jama Pediatrics, wo man über 1,4 Mio. amerikanische Jugendliche befragt hatte, ob sie seit der Legalisierung von Marihuana mehr als früher kiffen.

 

Ampel oder Jamaika - welche Koalition hat das größte Liberalisierungspotenzial?

Der Verkauf an Minderjährige soll weiterhin untersagt bleiben - darin sind sich sämtliche Parteien einig. Allein die Union spricht sich gegen einen neuen Kurs in der Drogenpolitik aus. FDP, Grüne, SPD und Linke dagegen versprechen in ihren Wählern nach der Bundestagswahl eine Liberalisierung von Cannabis. Was bedeutet dies für künftiges Regierungshandeln? In jedem Fall sind in Kürze zwei Parteien an der Regierung, die einen grundsätzlichen Kurswechsel fordern - und durchsetzen könnten. Sollten Rot-Gelb-Grün eine Regierung bilden, rückt der Wandel in der Drogenpolitik näher - mit Modellprojekten und einem Milliardenpotenzial für deutsche Produzenten von medizinischem Cannabis. Mit einem Umsatz von 230 Mio. Euro im vergangenen Jahr rangiert die Branche schon jetzt weltweit auf Platz 3, hinter den USA und Kanada.

 

Fazit: Kurswechsel in der Drogenpolitik zu erwarten

Allerdings scheinen konkrete Modellprojekte wie in Leipzig nach den Ergebnissen der Bundestagswahl eher unwahrscheinlich. Denn in Sachsen hat die AfD (10,3 Prozent im Bund) die CDU als stärkste Kraft abgelöst - und dort kompromisslos konservative Tendenzen weiter gestärkt. Auch die Option Rot-Rot-Grün mit Perspektiven für den Cannabis-Eigenanbau scheidet aus. Denn die Linke hat es mit 4,9 Prozent nur knapp in den Bundestag geschafft: Grüne (14,8 Prozent) und FDP (11,5 Prozent) treten nur mit SPD (25,7 Prozent) und CDU/CSU (24,1 Prozent) in Koalitionsverhandlungen. In einer Jamaika-Koalition könnte es bei der strengen staatlichen Regulierung der Anbaumengen bleiben, falls Grüne und FDP ihre Forderungen in den Koalitionsverhandlungen zugunsten anderer Themen opfern. Fakt ist dennoch: Wer in Zukunft regiert, wird den deutschen Blick auf die Legalisierung von Cannabis verändern!


Quellen:

 

  • https://afdbundestag.de/spangenberg-keine-weiteren-legalen-drogen-cannabis-nur-als-medikament/
  • https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/2400796/legalisierung-von-cannabis-union-und-afd-noch-dagegen
  • https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/drogen/
  • https://www.fdp.de/forderung/kontrollierte-freigabe-von-cannabis-ab-18
  • https://www.vorwaerts.de/artikel/vier-gruende-spd-politikerinnen-legalen-cannabis-konsum-fordern
  • https://www.merkur.de/politik/bundestagswahl-cannabis-legalisierung-gruene-annalena-baerbock-drogen-daniela-ludwig-spd-cdu-fdp-zr-90946198.html
  • https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1253324/umfrage/apothekenumfrage-zur-legalisierung-von-cannabis/
  • https://hanfverband.de/nachrichten/news/dhv-umfrage-infratest-dimap-2020
  • https://www.stern.de/gesundheit/us-studie--cannabis-konsum-seit-legalisierung-wohl-ruecklaeufig-8792004.html
  • https://www.swr.de/wissen/cannabis-konsum-kiffen-schadet-gehirn-von-jugendlichen-100.html
  • https://www.n-tv.de/wirtschaft/Cannabis-Industrie-lauert-auf-Bundestagswahl-article22825077.html